Jetzt ist unsere letzte Chance. Seit 1998 haben wir die Hälfte unserer Wähler verloren. Bei der letzten Bundestagswahl waren wir außer in Bremen nirgendwo mehr stärkste Kraft. Im SPD-Ortsverein sitzen drei Rentner, zwei Lehrer, ein Politikwissenschaftler, ein Student und eine Frau und diskutieren Migration – der Rest fehlt. Wenn wir daran etwas ändern wollen, müssen wir jetzt anfangen.
Erneuern reicht nicht. Die Chancen zum Neuanfang der SPD wurden 2005, 2009 und 2013 nicht genutzt. Ein bisschen Basisbeteiligung hier, ein bisschen neues Personal da. Nochmal eine solche Erneuerung – und es wird nichts mehr zu erneuern geben.
Wir müssen radikal umbauen. Ein höherer Mindestlohn oder eine bessere Wahlkampf-App reichen nicht. Wir müssen uns wieder trauen alte Strukturen, Positionen und Prozesse grundlegend infrage zu stellen und völlig neue Antworten zu finden.
Der Wandel wird richtig wehtun. Es ist Zeit uns ehrlich in die Augen zu schauen und zu sagen, dass wir etwas ändern müssen. Streiche „das haben wir immer schon so gemacht“ aus Deinem Wortschatz. Das wird zu Konflikten führen, uns aber auch zu besseren Lösungen verhelfen.
Deutschland braucht die SPD als Fortschrittspartei. Die Partei wurde inmitten der industriellen Revolution geboren und hat den sozialen Flächenbrand gebändigt. Die digitale Revolution und die Globalisierung eröffnen uns vielfältige Möglichkeiten. Sie verändern zugleich fundamental die Art, wie und wo wir leben und arbeiten. Die Gestaltung dieser Themen zum Wohle aller muss das zentrale Anliegen der Sozialdemokratie sein.
Experimente, Experimente, Experimente! Seien wir ehrlich: Keine progressive Partei weltweit hat bisher eine schlüssige Lösung für die Fragen der Zeit gefunden. Auch deswegen greifen Angst und Populismus um sich. Deswegen müssen wir alles hinterfragen: Unsere Struktur, unsere Arbeit, unsere politischen Botschaften und unsere Art zu kommunizieren. Wir brauchen Wagemut vom Parteivorstand bis runter in den kleinsten Ortsverein.
Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt? Gleichzeitig regieren und erneuern – das wird verdammt schwer. Wir müssen uns freimachen von Wahlabend-Tristesse und Umfragewerten. Es ist unsere Partei. Gehen wir an konkrete Ideen und bringen sie in unserer Partei nach vorn. Gemeinsam geben wir unserer alten Tante wieder einen Turbo.